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26: Growth Mindset: Ein Schlüssel zu erfolgreichem lebenslangen lernen

Das eigene Wachstumspotenzial erkennen

Das Growth-Mindset, auch als Wachstumsdenken bekannt, ist ein maßgeblicher Faktor dafür, wie wir mit Problemen, Herausforderungen und Aufgaben umgehen. Unsere Entscheidung, ob wir ein statisches oder dynamisches Selbstbild pflegen, hat weitreichende Auswirkungen auf unser gesamtes Leben, insbesondere auf das Lernen und die Entwicklung unserer Fähigkeiten. Dieser Beitrag wirft die Frage auf, wie unser Leben aussehen würde, wenn wir Aufgaben und Herausforderungen mit einem völlig anderen “Mindset” betrachten.

Wandmalerei im Quartier El Poblado, Medellin, Colombia (Yvo Wüest, Juli 2023)

Growth-Mindset vs. Fixed Mindset: Eine Entscheidung, die unser Leben verändern kann

Jeder Mensch hat bestimmte Denkweisen, die sein Selbstbild prägen. Ein Growth-Mindset ist eine positive Einstellung zu Fähigkeiten und Potentialen, bei der der Fokus auf Entwicklung und Lernen liegt. Wer so unterwegs ist, denkt bei Dingen, die erstmals unlösbar scheinen: Ich will wissen, wie ich diese Aufgabe lösen kann. Ich bin sicher, dass ich sie lösen kann.

Im Gegensatz dazu steht das Fixed Mindset, das sich auf unveränderliche Eigenschaften konzentriert und das Scheitern als persönliche Niederlage sieht.

Die Wahl zwischen diesen beiden Mindsets kann die größte Entscheidung unseres Lebens sein. von Schweitzer stammt das Zitat: “Die größte Entscheidung deines Lebens liegt darin, dass du dein Leben ändern kannst, indem du deine Geisteshaltung änderst.”

Die Entdeckerin des Growth-Mindset: Carol Dweck

Die Psychologin Carol Dweck war es, die mit ihren wegweisenden Forschungen den Begriff des “Growth-Mindset” ins Leben gerufen hat. Durch ihre Arbeit hat sie demonstriert, dass Erfolg weniger von Talent, sondern mehr von unserer Bereitschaft abhängt, zu üben, dazuzulernen und uns weiterzuentwickeln.

Bei ihrer Forschungsarbeit beobachtete sie Schüler:innen, die bei schwierigen oder komplexen Aufgabenstellungen nicht kapitulierten, sondern antworteten: “Solche herausfordernde Aufgaben habe ich gern. Sie fordern mich heraus, an meine Grenzen zu gehen und wirklich etwas zu lernen”.

Aus diesen Beobachtungen, wie solche “open-minded students” an schwierige Aufgaben gehen, entwickelte Carol Dweck das Konzept der “Growth-Mindset-Haltung”.

In einem aussergewöhnlichen Vortrag berichtet sie über ihre Forschungsarbeit.

Die Bedeutung des Growth-Mindsets in allen Lebensbereichen

Ein Growth-Mindset ist nicht nur für den schulischen oder beruflichen Kontext wichtig, sondern spielt eine entscheidende Rolle in allen Aspekten unseres Lebens. Dieses Denken beeinflusst, wie wir unsere Arbeit erledigen, unsere Beziehungen führen und uns selbst sehen. Sogar die Beziehung zu uns selbst kann durch das Growth-Mindset verbessert werden.

Menschen, die ein Wachstumsdenken (Growth Mindset) verfolgen:
• Streben nach kontinuierlicher Verbesserung in jedem Bereich, der sie fasziniert. Sie sind überzeugt, dass durch ausreichende Übung und Anstrengung jedes realistische Ziel erreichbar ist.
• Verfolgen ihre Lebensziele und Wünsche aktiv, da sie glauben, dass sie die Kontrolle über ihr Schicksal haben.
• Gehen gelassen mit Fehlern und Misserfolgen um, da diese nur Bereiche aufzeigen, in denen Wachstumspotential besteht. Ein Fehler wird als “Noch nicht erreicht” interpretiert.
• Attribuieren ihren potenziellen Erfolg nicht ihrer Herkunft oder angeborenen Talenten.
• Sind davon überzeugt, dass nahezu alles erreichbar und lernbar ist, wenn sie nur genug Durchhaltevermögen aufbringen und üben.

Menschen mit einem starren Denken (Fixed Mindset):
• Streben lediglich in Bereichen nach Verbesserung, in denen sie bereits eine gewisse Kompetenz aufweisen und Fehler minimieren können.
• Tendieren dazu, sich nicht weiterzuentwickeln, wenn sie sich selbst als nicht besonders talentiert betrachten.
• Tun sich oft schwer, ihre Wünsche und Lebensziele umzusetzen, da sie Herausforderungen eher vermeiden.
• Empfinden oft eine große Furcht vor Fehlern, da diese für sie einem Urteil gleichkommen: “Du bist dazu nicht in der Lage.”
• Empfinden oft das Gefühl des Versagens, wenn sie nicht sofort mit Herausforderungen fertig werden.
• Leben oft in einem Zustand vager Bedrohung und Angst, da sie sich der Unvermeidlichkeit von Herausforderungen im Leben bewusst sind, vor denen sie zurückweichen.
• Attribuieren ihren potenziellen Erfolg ihrer Herkunft oder angeborenen Talenten.

So ermittelst du dein aktuelles Mindset

Um dein aktuelles Mindset zu identifizieren, kannst du eine einfache Selbstreflexion durchführen. Überlegen dir dabei, wie du auf verschiedene Situationen reagierst, wie du über deine Ziele und Wünsche nachdenkst und welche Auslöser bei dir ein starres Denken hervorrufen.

  1. Wie gehst du normalerweise mit Herausforderungen um? Siehst du sie als Gelegenheiten zum Lernen und Wachsen oder eher als bedrohliche Hindernisse, die du lieber vermeidest?
  2. Wie gehst du mit Fehlern oder Misserfolgen um? Betrachtest du sie als Chancen zur Verbesserung und Entwicklung oder interpretierst du sie als Zeichen deiner Unzulänglichkeit?
  3. Denke über deine Ziele nach: Sind sie dynamisch und entwicklungsfähig, oder glaubst du, dass deine Fähigkeiten und Talente festgelegt und unveränderlich sind?
  4. Wie siehst du dein Potenzial zur Verbesserung und Entwicklung in verschiedenen Bereichen deines Lebens? Glaubst du, dass du durch Anstrengung und Übung nahezu alles erlernen kannst?
  5. Welche Ereignisse oder Situationen neigen dazu, bei dir ein starres Denken auszulösen? Kannst du Strategien entwickeln, um in diesen Situationen ein Wachstumsdenken zu fördern?

Strategien zur Förderung des Growth-Mindsets: Empfehlungen von Béatrice Kuster

Mit Béatrice Kuster haben wir kürzlich eine zweite Podcastfolge mit dem Titel “Das Wunder in uns: Positive Psychologie und das Growth Mindset für ein erfülltes Leben” aufgezeichnet.

Sie ist Dipl. Sozialarbeiterin und Expertin für Positive Psychologie, arbeitet in ihrer eigenen Praxis und ist als Trainerin, Dozentin und Spezialistin für die Themen Selbstwirksamkeit und Burnout-Prävention unter anderem an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport DHGS unterwegs.

Das Gespräch wird Ende Sommer 2023 bei “Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung” ausgestrahlt. Für diesen Blogbeitrag habe ich mich mit ihr über “ihr Spezialgebiet “Wachstumsdenken” ausgetauscht.

Béatrice Kuster, Expertin für Selbstwirksamkeit als Gast in der Podcastreihe “Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung”

Yvo Wüest: Béatrice, welche Strategien empfiehlst du zur Förderung eines Growth-Mindsets?

Béatrice Kuster: Es gibt einige einfache Strategien, um ein Growth-Mindset zu fördern und zu stärken. Eine Möglichkeit besteht darin, das Wort “noch” oder “bisher” zu den eben gemachten Aussagen hinzuzufügen. Dies unterstreicht die Möglichkeit des Wachstums und der Entwicklung. Ein weiterer Ansatz ist, von unseren Vorbildern zu lernen und zu verstehen, welche Anstrengungen sie unternommen haben, um ihre Ziele zu erreichen.

Neugier für seinen eigenen Lebensweg und für seine Zukunft ist ebenfalls eine hilfreiche Strategie. Studien haben gezeigt, dass Neugierde eng mit Dopaminausschüttung (Belohnungshormon) gekoppelt ist und mit Intelligenz, Offenheit und Kreativität korreliert. Neugier lässt sich auch dadurch fördern, indem man sich mit Menschen umgibt, die einen im Wachstum unterstützen und motivieren und ebenfalls einen offenen Geist kultivieren.

Yvo Wüest: Gibt es noch weitere Möglichkeiten?

Béatrice Kuster: Sich kleine Ziele setzen, um ein Everest-Ziel zu erreichen, kann ebenfalls neugierig machen zu erfahren, was noch weiter drin liegt, wie weit ich gehen kann, welches Potenzial ich noch anzapfen kann.

Schliesslich kann es hilfreich sein, positive Selbstgespräche zu führen, sogenannte Affirmationen wie «Ich kann das!» oder «Ich schaffe es!»

Sich mit Neuem und Unbekanntem umgeben, zum Beispiel eine Reise planen und durchführen, fördert ebenfalls die persönliche Lebendigkeit.

Und oft vergessen wir, kleine Erfolge zu feiern, einen Moment innezuhalten und den zurückgelegten Weg wahrzunehmen.

Das macht stolz, löst positive Emotionen und schüttet Belohnungshormone frei, die persönliches Wachstum zur Folge haben. 

Yvo Wüest: Danke für deine Weiterführenden Gedanken!

Wandmalerei im Quartier El Poblado, Medellin, Colombia (Yvo Wüest, Juli 2023)

Fazit

Das Growth-Mindset ist ein kraftvolles Instrument zur Förderung von Lernen und Entwicklung. Es ermöglicht uns, Herausforderungen proaktiv zu begegnen, in dem wir ihnen mit “Wachstumsdenken” begegnen.

Die Fähigkeit, das eigene Mindset zu bestimmen und gegebenenfalls zu ändern, ist auch eine Voraussetzung für erfolgreiches lebenslanges Lernen. Mit einer entwickelten Fähigkeit zur Selbstreflexion können Lernende und Studierende ihre eigenen Denkmuster und Glaubenssysteme erkennen. Das Bewusstsein für das aktuelle eigene Denkmuster ist der erste Schritt, um gezielt an der Entwicklung eines Growth Mindsets zu arbeiten.

Für Bildungsfachleute ist es wichtig, den Lernenden zu vermitteln, dass Misserfolge und Fehler Teil des Lernprozesses sind und als Gelegenheiten für persönliches Wachstum und Verbesserung gesehen werden sollten. Darüber hinaus sollten wir die Lernenden ermutigen, ihre Fähigkeiten und Talente nicht als festgelegte Eigenschaften zu sehen, sondern als etwas, das sie durch Anstrengung, Übung und Beharrlichkeit entwickeln und verbessern können.

Letztendlich kann dies zu einer stärkeren Widerstandsfähigkeit und einem höheren Grad an Selbstwirksamkeit führen, die für den Erfolg in Bildung und Beruf entscheidend sind.

Ressourcen:

Dweck, C. (Piper, München, 2010). Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt.

Blickhan, D. (Junfermann, Paderborn, 2015). Positive Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis.

Podcastgespräch von Yvo Wüest mit Béatrice Kuster – Expertin für Selbstwirksamkeit in der Podcastreihe “Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung”. https://open.spotify.com/episode/5gAHRN6BiJ1dN5UVOHgu2p?si=n0u9t8LPRiuSg_FMRotwPA

8 thoughts on “26: Growth Mindset: Ein Schlüssel zu erfolgreichem lebenslangen lernen”

  1. Ein inspirierendes Interview!
    Béatrice Kusters Ansichten über das Growth-Mindset sind sowohl erfrischend als auch umsetzbar. ich denke einfachen, aber wirkungsvollen Strategien können vielen helfen, ihre Potenziale besser auszuschöpfen und ein positives Selbstbild zu pflegen. Besonders die Betonung von Neugier und das Feiern kleiner Erfolge sind Botschaften, die in unserer heutigen schnelllebigen Welt oft übersehen werden. Danke für diese wertvollen Einblicke!

    Jacqueline Steger

  2. Ein aufschlussreicher Beitrag, der die Bedeutung des Growth-Mindsets hervorhebt.
    Besonders im Bereich der Erwachsenenbildung ist es von unschätzbarem Wert, solch eine Denkweise zu fördern. Die didaktische Reduktion ermöglicht es, komplexe Inhalte verständlich zu machen, doch letztendlich ist es die innere Haltung des Lernenden, die den wirklichen Unterschied ausmacht.
    Das Growth-Mindset kann uns dabei unterstützen, das volle Potenzial von Lernangeboten auszuschöpfen und somit das Lernen und die Entwicklung von uns Menschen effektiver zu gestalten. Danke für diesen inspirierenden Einblick! Ich werde mich auf jeden Fall mit diesem Thema weiter beschäftigen.

    Martin Steinberger

  3. Ein sehr inspirierender Beitrag! Es ist faszinierend, wie die richtige Denkweise unseren Zugang zu Herausforderungen und unsere Sicht auf Erfolg und Scheitern beeinflussen kann. Der Artikel macht klar, wie wichtig es ist, ein Growth-Mindset zu pflegen und ständig dazulernen zu wollen. Carol Dwecks Forschungen sind ein wertvolles Werkzeug für jeden, der an persönlichem Wachstum interessiert ist. Vielen Dank fürs Teilen!

    Stéphanie Gerber

    1. Danke für die Zeit, die Sie sich für das Lesen und das Schreiben von einem Kommentar genommen haben, Frau Gerber.
      Ja, ich erachte es als bedeutsam, dem Leben mit einer gewissen Neugier und lernfreudig zu begegnen. Eine solche Haltung ist nach meinem Verständnis eine Grundlage für erfolgreiches Lernen und die von Ihnen erwähnten persönlichen Wachstumsmöglichkeiten.
      Alles Gute
      Yvo Wüest

  4. What a wonderfully insightful article on the power and potential of adopting a Growth-Mindset. The delineation between a fixed and growth mindset is not only thought-provoking but essential for personal development. The mention of Carol Dweck’s pioneering research adds depth and credibility to the topic. Thank you for shedding light on this transformative perspective; it’s truly a game-changer in the realm of personal growth and achievement.

    Carol Stone, Illinois

    1. I agree with you: “The delineation between a fixed and growth mindset is not only thought-provoking but essential for personal development.”
      Tanks for commenting Carol and best wishes from Switzerland, Yvo

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