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23: Constructive Alignment in der Bildungsarbeit – Eine Leitidee für effektives Lernen

    Bei der Konzeption eines Lernangebotes richten sich Bildungsfachleute häufig nach den Lehrinhalten und Lernzielen, welche sie vermitteln und erreichen möchten. Ganz anders als die Studierenden. Denn diese planen ihren Lernprozess oft abhängig von den Prüfungsanforderungen. Je nachdem, wie die Prüfung aussieht, richten sie ihr Lernen anders aus.

    Nicht selten «schrammt» in einem solchen Fall die Customer-Journey, oder das Lernerlebnis, am angedachten Lernprozess vorbei. Was beide Seiten als irritierend oder unbefriedigend erleben. 

    In diesem Blogbeitrag geht es um die Methode «Constructive Alignment». Sie zielt darauf ab die oben skizzierte Situation erfolgreich zu überwinden. In dem Lehrende bei der Planung und Konzeption einer Veranstaltung die Lehr- und Lernmethoden eng mit den Lernzielen und Prüfungsformen verzahnen. 

    Eliane Cziumplik Coverbild Podcast
    “Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung” (Mai 2023)

    Podcastgespräch zu E -Learnings und Constructive Alignments

    Das Thema ist kürzlich in einem Podcastgespräch mit Eliane Cziumplik aufgetaucht, mit der ich mich über «E-Learning aus Sicht der neuen Generationen» unterhalten habe. Eliane steuerte wertvolle Impulse zu diesem Text bei und der Link zum Podcastgespräch findet sich in den Ressourcen.  

    Wir starten den Beitrag mit der Herkunft des Begriffs, liefern eine Definition und geben Tipps, worauf bei der Entwicklung von E-Learnings besonders geachtet werden sollte.

    Herkunft des Begriffs

    Der Begriff “Constructive Alignment” wurde erstmals von John Biggs, einem australischen Professor für pädagogische Psychologie, in den 1990er Jahren eingeführt. Er entwickelte das Konzept als Reaktion auf die traditionelle Vorstellung des Lernens als bloße Informationsübertragung. Constructive Alignment verfolgt das Ziel, die Lehr-Lern-Aktivitäten und das Assessment an den Lernzielen auszurichten und somit eine aktive Konstruktion des Wissens bei den Lernenden zu fördern.

    John Burville Biggs (geboren 1934) australischer pädagogischer Psychologe und Romanautor, entwickelte das Konzept des Constructive Alignment sowie die SOLO-Taxonomie zur Beurteilung von Lernzielen.

    Definition von Constructive Alignment

    Constructive Alignment ist eine Lehr-Lern-Theorie, bei der die Planung von Lehr-Lern-Aktivitäten und das Assessment auf die Lernziele ausgerichtet werden. Die Lehrenden oder Gestaltenden von Lehr-Lern-Umgebungen gehen dabei so vor, dass eine optimale Passung zwischen den Lernzielen, den Lehr-Lern-Aktivitäten und dem Assessment gewährleistet ist. Das Ziel besteht darin, dass die Lernenden ihre Kompetenzen erweitern und die prinzipielle Ausrichtung einer Lernveranstaltung erkennen. 

    Anwendung in der Erwachsenenbildung

    Constructive Alignment findet in der Erwachsenenbildung breite Anwendung, da es eine effektive Möglichkeit bietet, erwachsenen Lernenden dabei zu helfen, ihre Ziele zu erreichen und das Gelernte in realen Situationen anzuwenden. Durch die Ausrichtung von Lehr-Lern-Aktivitäten und Assessment an den Lernzielen wird ein ganzheitlicherer Lernprozess ermöglicht, der auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten ist. Das Konzept entspricht gleichzeitig einer zentralen Anforderung der Bologna-Reform, konkret: Die kompetenzorientierte Gestaltung der Lehre. Die Erwachsenenbildung profitiert besonders von diesem Ansatz, da sie oft auf praxisorientierte Anwendungen und den Erwerb beruflicher Kompetenzen abzielt.

    Das fünfstufige Modell der SOLO-Taxonomie

    Die SOLO-Taxonomie (Structure of Observed Learning Outcomes) beschreibt die Struktur der beobachteten Lernergebnisse und ist ein Modell, das die zunehmende Komplexität des Verständnisses Lernender für ein Thema beschreibt. Es unterstützt die präzise Beschreibung von Lernzielen und umfasst fünf Verständnisebenen:

    • Vorstrukturell (pre-structural) – Die Aufgabe wird nicht angemessen angegangen; Lernende haben den Sinn nicht wirklich verstanden und gehen zu einfach vor. Lernende, die sich in der vorstrukturellen Phase des Verständnisses befinden, antworten auf Fragen in der Regel mit irrelevanten Kommentaren.
    • Unistrukturell (uni-structural) – Die Antwort Lernender konzentriert sich nur auf einen einzigen relevanten Aspekt. Lernende, die sich in der uni-strukturellen Phase des Verständnisses befinden, geben in der Regel zum Teil relevante, aber vage Antworten, denen es an Tiefe fehlt.
    • Multistrukturell (multi-structural) – Die Antwort Lernender konzentriert sich auf mehrere relevante Aspekte, die jedoch als unabhängig voneinander wahrgenommen werden. Lernende, die sich auf dieser Stufe befinden, kennen das Konzept vielleicht nur bruchstückhaft, wissen aber nicht, wie sie es darstellen oder erklären sollen.
    • Relational (relational) – Die verschiedenen Aspekte sind zu einem kohärenten Ganzen integriert. Diese Stufe wird normalerweise mit einem angemessenen Verständnis eines Themas gleichgesetzt. Auf der relationalen Stufe können die Lernende verschiedene Muster erkennen und ein Thema aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.
    • Erweitert abstrakt (extended abstract) – Das zuvor integrierte Ganze kann auf einer höheren Abstraktionsebene konzeptualisiert und auf ein neues Thema oder Gebiet verallgemeinert werden. In diesem Stadium können Lernende die Konzepte aus dem Unterricht im wirklichen Leben anwenden.
    Graphik Yvo Wüest in Anlehung an Modell von John Biggs und Kevin Collis “Solo Taxonomy” in Evaluating the Quality of Learning: The SOLO Taxonomy (New York: Academic Press, 1982)

    Lehrende und Lernende ziehen am gleichen Strang

    Wenn bereits bei der Planung einer Lernveranstaltung Lernziele, Lehr/ und Lernmethoden und die Prüfungsform aufeinander abgestimmt werden, gewinnt das Lernangebot damit an Kohärenz und Transparenz. Lehrende und Lernende haben Klarheit über die Zielsetzung. Selbstverständlich erlaubt diese Vorgehensweise auch, sofern sich im Verlauf des Lernprozesses die angestrebten Lernergebnisse verändern, eine flexible Anpassung der ausgewählten Inhalte, Methoden und Prüfungsformate. 

    Folgende Fragen sind zentral bei dieser Methode: 

    1. Welche Lernziele oder Performanz erwarten wir mit diesem Lernangebot? 
    2. Mit welchen Lehr- und Lernmethoden oder Lernaktivitäten gelingt es uns, die Lernziele zu erreichen?
    3. Mit welcher Prüfungsform können die Erreichung der Lernziele abfragen?

    Das «Goldene Dreieck» bei der Methode «Constructive Alignment»

    Damit ist erkennbar, dass sich das Konzept auf einen konstruktivistischen Ansatz stützt, bei dem die Lernenden im Mittelpunkt stehen. Ihr Wissen eigenen sie sich idealerweise aktiv und eigenständig an und übernehmen damit Verantwortung für ihre Lernfortschritte. Die Lehrenden wiederum arbeiten mit «Ermöglichungsdidaktik» und gestalten einladende Verhältnisse, setzen lernförderliche und abwechslungsreiche Methoden ein und kommunizieren die intendierten Lernziele klar und deutlich. Sie nutzen Prüfungsmethoden, die den Lernenden aufzeigen, was sie gelernt haben. 

    Das Zusammenspiel der drei Elemente – Lernziele, förderliche Lernmethoden und passende Prüfungsform(en) werden im Constructive Alignment oft als «Goldenes Dreieck» bezeichnet. 

    Grafik Yvo Wüest “Goldenes Dreieck im Constructive Alignment” nach WIldt & Wildt (2011, S. 9)

    Constructive Alignment in der Entwicklung von E-Learnings

    Die Anwendung des Constructive Alignments in der Entwicklung von E-Learning-Kursen kann den Lernprozess der erwachsenen Lernenden effektiv unterstützen und helfen, ihre Lernziele zu erreichen. Hier sind einige Punkte zu beachten:

    1. Identifikation der Lernziele:

    Beginnen Sie mit einer klaren Definition der Lernziele für den E-Learning-Kurs. Überlegen Sie, welche Kompetenzen die Lernenden erreichen sollen und wie diese messbar gemacht werden können. Dies bildet die Grundlage für die Planung der Lehr-Lern-Aktivitäten und des Assessments. Die Unterscheidung Surface (faktenorientiertes und eher oberflächliches Lernen) und Deep Aproach (verschiedene Teile werden zu einem ganzen verbunden, eigene Schlüssel über Inhalte und Autorenschaft werden gezogen und das Wissen dadurch personalisiert) hilft zu überlegen, mit welcher “Energie” der Lernprozess durchlaufen werden soll.

    2. Gestaltung der Lehr-/Lerninhalte: 
    Basierend auf den definierten Lernzielen sollten die Lehr-/Lerninhalte so gestaltet werden, dass sie den Lernenden ermöglichen, ihr Wissen aktiv zu konstruieren. Verwenden Sie verschiedene multimediale Elemente wie Videos, interaktive Übungen, Fallstudien oder Simulationen, um den Lernenden eine vielfältige und ansprechende Lernerfahrung zu bieten.

    3. Interaktive Lehr-Lern-Aktivitäten: 
    Integrieren Sie interaktive Elemente in den E-Learning-Kurs, die den Lernenden dazu anregen, aktiv zu lernen. Dies kann beispielsweise durch Diskussionsforen, Gruppenarbeiten, Online-Tests oder praktische Anwendungen erfolgen. Sorgen Sie dafür, dass die Aktivitäten eng mit den Lernzielen verknüpft sind und den Lernenden helfen, ihr Wissen anzuwenden und zu vertiefen.

    4. Ausrichtung des Assessments: 

    Das Assessment sollte darauf abzielen, die erreichten Lernziele zu überprüfen und das erworbene Wissen und die Kompetenzen der Lernenden zu bewerten. Stellen Sie sicher, dass das Assessment die angestrebten Lernziele widerspiegelt und eine für die Überprüfung der Lernziele passende Bewertungsmethode wie Test, Fallstudie, Projektarbeit oder Präsentation gewählt wird.

     Fazit

    Constructive Alignment ist eine wertvolle Leitidee für die Gestaltung von Lehr-Lern-Aktivitäten und Assessment in der Erwachsenenbildung. Durch die Ausrichtung auf die Lernziele wird ein sinnvoller und effektiver Lernprozess ermöglicht, bei dem die Lernenden aktiv ihr Wissen konstruieren und anwenden können. In der Entwicklung von E-Learning-Kursen spielt Constructive Alignment eine wichtige Rolle, um die Lernziele zu erreichen und den Lernenden eine ansprechende und individuell angepasste Lernerfahrung zu bieten. Indem wir die Prinzipien des Constructive Alignments in unsere pädagogische Praxis integrieren, können wir den Lernprozess unserer erwachsenen Lernenden optimieren und zu deren beruflichem Erfolg beitragen.

    Ressourcen

    Eliane Cziumplik im im Gespräch mit Yvo Wüest in der Podcastreihe “Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung”, Nr. 57, 11.05.23

    John Biggs (1996): Enhancing teaching through constructive alignment, in: Higher Education 32, 347–364.

    John Biggs / Catherine Tang (2011): Teaching for Quality Learning at University, Maidenhead.

    Bachmann, H. (2014): Formulieren von Lernergebnissen – learning outcomes: In H. Bachmann (Hrsg.), Kompetenzorientierte Hochschullehre. Die Notwendigkeit von Kohärenz zwischen Lernzielen, Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden (S. 34 – 49). Bern: Hep.

    Gallagher, G. (2017): Aligning for Learning: Including Feedback in the Constructive Alignment Model

    Wildt, J. & Wildt, B. (2011): Lernprozessorientiertes Prüfen im „Constructive Alignment”: In B. Berendt, H.-P. Voss & J. Wildt (Hrsg.), Neues Handbuch Hochschullehre, Teil H: Prüfungen und Leistungskontrollen. Weiterentwicklung des Prüfungssystems in der Konsequenz des Bologna-Prozesses (S. 1–46). Berlin: Raabe.

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