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34: Lernziele richtig formulieren

    Als Bildungsexperte und Trainer für didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung sehe ich oft, wie Ausbilder:innen und Berufsbildungsfachleute mit der präzisen Formulierung von Lernzielen hadern. In diesem Beitrag gehe ich auf das Modell der sechs Taxonomiestufen von Benjamin Bloom ein und erläutere, welches Vorgehen sich bewährt hat.

    Um was geht es bei Lernzielen`

    Lernziele sind der Dreh- und Angelpunkt jeder Planung von Lernangeboten in der Erwachsenenbildung. Sie strukturieren die Lernprozesse, ermöglichen es, den Lernfortschritt zu verfolgen, und stellen sicher, dass das Lernen effektiv und zielgerichtet ist. Es ist wichtig, Lernziele zu formulieren, die spezifisch für einzelne Lernsequenzen sind, im Gegensatz zu Kompetenzen, die über eine Reihe von Lerneinheiten entwickelt werden.

    Dr. Jens Soemers erklärt in seinem kurzen Video die Bedeutung, richtige Formulierung und angemessene Taxonomiestufe von Lernzielen für Lernsequenzen.

    Lernziele vs. Kompetenzen

    Während Lernziele kurzfristige, spezifische Ziele für eine Lernsequenz oder “Lektion” sind, beziehen sich Kompetenzen auf langfristige Entwicklungen über mehrere Stunden, Halbtage oder Wochen. Die Lernziele der einzelnen Lektionen tragen somit zur Entwicklung der übergeordneten Kompetenzen bei. Wir könnten sagen, Lernziele sind einzelne Stufen auf der Treppe zu den Kompetenzen.

    Inhalte und Formulierung von Lernzielen

    Die Inhalte der Lernziele können aus den Stoffkatalogen der Bildungseinrichtungen oder aus den Lernfeldern der Lehrpläne abgeleitet werden. Wichtig bei der Formulierung von Lernzielen ist, dass sie einen konkreten Endzustand beschreiben und nach dem SMART-Prinzip formuliert sind, d.h. dass sie spezifisch, messbar, erreichbar, relevant und terminiert sein sollen. Lernziele sind handlungswirksam und für Lernende noch besser verstehbar, wenn die dafür eingesetzten Tätigkeitswörtern (Verben) eindeutig beschreiben, welches Verhalten die Lernenden zeigen sollen.

    Ein Beispiel auf Sekundarstufe 1, iqesonline 2023

    Taxonomien in Lernzielen

    Taxonomien definieren unterschiedliche Anspruchsniveaus oder Schwierigkeitsgrade von Lernzielen. Sie helfen, Lernziele so zu formulieren, dass sie am Ende der Lehrveranstaltung überprüfbar sind. Die Taxonomiestufen nach Bloom bieten hierfür einen strukturierten Ansatz, um Lernziele in aufsteigender Komplexität zu formulieren – von einfachen Kenntnissen bis hin zu analytischen und bewertenden Fähigkeiten.

    Kognitive Lernziel-Taxonomie nach Benjamin Bloom, Universität Würzburg 2023

    Praktische Anwendung und Beispiele

    Für eine effektive Nutzung der Taxonomie ist es hilfreich, konkrete Beispiele und Übungen in das Lernangebot aufzunehmen, die auf den verschiedenen Ebenen der Taxonomie aufbauen. Beispielsweise kann ein Lernziel auf der Wissensebene darin bestehen, grundlegende Fakten zu einem Thema zu lernen, während ein übergeordnetes Ziel darin bestehen kann, diese Informationen in einem praktischen Kontext anzuwenden oder zu analysieren.

    Angenommen, das Lernthema lautet “Didaktische Reduktion für Ausbilderinnen und Ausbilder”. Wir gehen von einem Seminartag von ca. 7 Stunden aus und formulieren folgende Taxonomiestufen nach Bloom

    Beispiel für ein Lernziel auf der Wissensebene:
    Die Teilnehmenden der Lernsequenz “Grundlagen der didaktischen Reduktion” sollen die Grundprinzipien der didaktischen Reduktion benennen können.

    Anwendungsebene:
    Die Teilnehmenden sollen in der Lage sein, ein komplexes Thema aus ihrem Fachgebiet auszuwählen und einen Plan für dessen didaktische Reduktion zu erstellen.

    Analyseebene:
    Die Teilnehmenden analysieren verschiedene Lehrmethoden und bewerten, wie diese für die didaktische Reduktion eines komplexen Themas angewendet werden können.

    Syntheseebene:
    Die Teilnehmenden entwickeln eine eigene Lerneinheit, in der sie die Prinzipien der didaktischen Reduktion kreativ und effektiv umsetzen.

    Bewertungsebene:
    Die Teilnehmenden reflektieren und diskutieren die Wirksamkeit und Grenzen der didaktischen Reduktion in Bezug auf verschiedene Lernziele und Zielgruppen.

    Diese schrittweise Steigerung der Komplexität der Lernziele ermöglicht es den Ausbilderinnen und Ausbildern, das Konzept der didaktischen Reduktion nicht nur zu verstehen, sondern es auch praktisch anzuwenden und kritisch zu reflektieren.

    Die Bloomsche Taxonomie mit den 6 K-Stufen

    Situation an den Hochschulen

    Im universitären Kontext unterscheiden wir zwischen überfachlichen Leitzielen, wie kritischem Denken und Teamfähigkeit, die über mehrere Jahre hinweg entwickelt werden, und fachspezifischen Leitzielen, die sich auf bestimmte Fachbereiche beziehen. Zusätzlich gibt es Grobziele auf Modulebene und Feinziele für einzelne Seminartage.

    Auf Hochschulstufe empfehle ich für die Lernzielformulierung die Nutzung der Taxonomien von Bloom (1956) oder deren überarbeiteten Versionen von Krathwohl und Anderson (2001). Trotz gewisser Kritik bieten diese Taxonomien, vor allem durch ihre vielfältigen Verben, eine effektive Hilfestellung bei der Formulierung von Lernzielen.

    Entscheidend ist, dass Lehrende zunächst festlegen, welche Fähigkeiten die Studierenden am Ende einer Veranstaltung haben sollen, bevor sie die passenden Lerninhalte auswählen, um diese Fähigkeiten zu fördern.

    Untenstehendes Modell von Metzger et. al., 1993, vereinfacht das Stufenmodell, indem es die sechs kognitiven Prozessdimensionen auf drei reduziert: Erinnerung, Verarbeitung und Erzeugung von Informationen. Es differenziert zudem zwischen eigenständiger Wissenserzeugung und dem Umgang mit erworbenem Wissen.

    Metzger et al., 1993, Vereinfachung des sechssttufigen Modells von Benjamin Bloom.

    Formulierung von lernförderlichen Lernzielen an Hochschulen

    Damit sie tatsächlich lernförderlich sind, sollten sie mindestens zwei der folgenden vier Elemente enthalten:

    1. Was sollen die Studierenden am Ende können: Formulieren eines Endzustandes durch die eindeutige Benennung des konkreten Tuns (durch Verwendung eines entsprechenden Verbs, siehe Beiblatt Taxonomiestufen der Universität Zürich), welches direkt beobachtbar ist.
    2. Womit sollen die Studierenden sich inhaltlich beschäftigen: Eindeutige Bezeichnung des Inhalts (z.B. Fachaspekt oder Situation), auf das sich das Lernziel bezieht.
    3. Wie erreichen die Studierenden den Endzustand: Beschreibung der notwendigen Bedingungen (z.B. Hilfsmittel oder Voraussetzungen)
    4. Wieviel vom vermittelten Lernstoff müssen sie beherrschen: Angabe der Beurteilungskriterien (z.B. Anzahl Beispiele, Methoden)

    An Hochschulen mangelt es oft an spezifischen Details zu den Aspekten “Wie” und “Wieviel”, was zu sogenannten plastischen Lernzielen führt. Diese Art der Formulierung macht die Ziele schlanker, möglicherweise klarer und übersichtlicher für Studierende. Für die Prüfungsvorbereitung kommunizierte Lernziele sollten idealerweise eine umfassende Bandbreite an Lernzielformulierungselementen enthalten.

    Fazit

    Die klare Formulierung von Lernzielen ist essenziell für den Erfolg in der Erwachsenenbildung. Sie schafft eine solide Grundlage für effektive Lehrpläne und sorgt für messbare Fortschritte in der Kompetenzentwicklung der Lernenden. Durch das Verständnis und die Anwendung der Taxonomiestufen können Trainer und Berufsbildner ihre Lernziele präzise definieren und so den Lernerfolg maximieren. Mich persönlich überzeugt die neuere, überarbeitete Version von Krathwohl und Andersonmehr, da sie stärker das aktive Lernen betont und anstelle von Bewerten (Evaluation) das Entwickeln und neues Schaffen (Creation) als oberste Kompetenzstufe setzt.

    Ressourcen:

    Anderson, L. W. & Krathwohl, D. R. (Hrsg.). (2001). Taxonomy for Learning Teaching and Assessing. A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Addison Wesley Longman.

    Bloom, B.S. (Hrsg.). (1973). Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich (3. Aufl.). Beltz.

    Bloom, B. S., Engelhart, M. D., Furst, E. J., Hill, W. H. & Krathwohl, D. R. (Hrsg.). (1956). Taxonomy of Educational Objectives. The Classification of Educational Goals, Handbook I: Cognitive Domain. David McKay Company, Inc.

    Metzger, C., Waibel, R., Henning, C., Hödel, M., Luzi, R. (1993). Anspruchsniveau von Lernzielen und Prüfungen im kognitiven Bereich. Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen.

    Erklärvideo der Universität Zürich über die Formulierung von passenden Lernzielen: Start! Tutor*innenqualifikation, Baustein 2.

    Eine Zusammenfassung von diesem Blogbeitrag wurde am 23.11.23 von Recast.ai als Podcast hier (vorerst auf Englisch) publiziert.

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