In der heutigen Zeit ist das Konzept des Microlearnings nicht mehr aus dem Lernalltag wegzudenken. Doch was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff?

In diesem Blogbeitrag erkläre ich, was Microlearning bedeutet und wie Bildungsfachleute es erfolgreich in in der Praxis umsetzen können.
Was meinen wir mit Microlearning?
Microlearning beschreibt eine Methode des Lernens, bei der Wissen in kleine, leicht verdauliche Häppchen aufgeteilt wird. Diese können in Form von Videos, kurzen Texten, Grafiken oder auch Quizfragen dargeboten werden. Im Gegensatz zum herkömmlichen Lernen, bei dem meist lange und komplexe Inhalte präsentiert werden, ist Microlearning darauf ausgerichtet, den Lernstoff in kleine und überschaubare Portionen aufzuteilen. So können Lernende schneller und effektiver Wissen aufnehmen und verarbeiten.
Microlearning ist bereits Normalität
Die Methode des Microlearnings ist längst keine Neuheit mehr, sondern hat sich als fester Bestandteil des Lernalltags etabliert. Viele Unternehmen setzen bereits auf diese Methode, um ihren Mitarbeitenden effektives und zielgerichtetes Lernen zu ermöglichen. Auch im Bereich der Personalentwicklung kommt Microlearning vermehrt zum Einsatz, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt weiterzubilden und ihr Know-how zu erweitern.
Konkrete Beispiele
Die Einsatzmöglichkeiten von Microlearning sind vielfältig. Hier einige konkrete Beispiele:
- Online-Tutorials und How-To-Videos
- Kurze Quizfragen zur Überprüfung des Gelernten
- Grafiken und Infografiken zur Veranschaulichung komplexer Sachverhalte
- Gamification-Elemente, um Lerninhalte spielerisch zu vermitteln
- Kurze Texte, die sich auf spezifische Themen konzentrieren
Zu den grundlegenden Rahmenbedingungen, die für eine optimale Akzeptanz und erfolgreiche kognitive Verarbeitung führen, zählt in der Regel: Geringer zeitlicher Lernaufwand je Einheit (Mini-Lernhappen von 30 Sekunden bis ca. 15 Minuten). In sich thematisch geschlossene Einheiten. Konsequente Handlungsorientierung und Praxisbezug. Bei Bedarf wiederholt abrufbar. Idealerweise lässt der Inhalt Rückmeldungen durch Lernbegleiter:innen oder die Lerngruppe zu.

Handfest und mit praktischem Nutzen sollen Microlearnings im betrieblichen Kontext sein. Warum?
- Microlearnings werden immer mehr zum anerkannten Weg, um betriebliches Wissen (die 70/20/10 – Regel lässt grüssen) greifbar, entpersonifiziert und damit breiter verfügbar zu machen.
- Microlearnings etablieren sich als Methode, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Wie sonst sollen branchenfremde Mitarbeitende schnell und praxisbezogen mit dem nötigen Wissen ausgestattet werden?
Diese Entwicklungen bergen Zündstoff in der neuen Arbeitswelt. Firmen, Knowhow-Manager tun gut daran, Strukturen zur schnellen und einfachen Erstellung von Microlearnings durch Nicht-eLearning-Expert:innen zu schaffen.
Und clevere Mitarbeitende lassen sich die erlangten Skills durch Micro Certificates belegen.
Roger Hubmann, Zürich, 3.04.23
Micro-Content erstellen
Damit Microlearning erfolgreich eingesetzt werden kann, ist es wichtig, dass der Lerninhalt auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Zielgruppe zugeschnitten ist. Der Fokus sollte dabei auf der Vermittlung von praxisrelevantem Wissen liegen. Auch die Wahl des Formats spielt eine wichtige Rolle. Videos und Grafiken eignen sich beispielsweise besonders gut für visuell orientierte Lernende, während Texte sich für Lernende eigenen, die eine hohe Eigenmotivation mitbringen und sich die Inhalte schriftlich aneignen möchten.
Bewährt haben sich Kombinationen aus Online-Einheiten und Präsenz-Situationen. So kann beispielsweise theoretisches Grundlagenwissen in einzelne Video-Einheiten aufgeteilt werden. Später aber in der Präsenzsituation aktiv ausprobiert und erfahren werden.
Doch wie erstellt man eigenen Micro-Content? Im Folgende zeige ich dir in fünf Schritten auf, wie es gelingt, eigene Microlearning-Module zu erstellen:
Schritt 1: Vergegenwärtige ein konkretes Trainings- oder Lerntransferziel und beschreibe es so simpel und spezifisch wie möglich. Denn nur so können Deine Teilnehmer*innen es greifen und verstehen.
Schritt 2: Konzipiere praktische Übungen, die Du im Seminar mit Deinem Micro-Content verknüpfen willst. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass das neu erworbene Wissen auch in der Praxis angewendet wird.
Schritt 3: Wähle das passende Format für Deine Inhalte aus. Nutze dabei Ansätze aus der “Didaktischen Reduktion”. Texte sollten kurz und prägnant sein, damit die Lernenden nicht mit Informationen überhäuft werden. Audio- oder Videoinhalte können komplexere Abläufe anschaulicher darstellen und bieten eine visuelle oder verbale Anreicherung der Information. Eine variationsreiche Mischung bietet den Lernenden viele verschiedene Ansatzpunkte.
Schritt 4: Plane einen groben Ablauf Deines Konzepts und sortiere die Inhalte nach Ähnlichkeit, Schwierigkeit und Produktionsaufwand. Überlege, welche Inhalte unbedingt im Kurs vorkommen sollten und welche eventuell aussortiert werden können. Teile komplexe Einheiten auf kleinere Lerneinheiten auf, wenn diese zu viel Informationsdichte enthalten.
Schritt 5: Erstelle die Inhalte und orientiere Dich dabei immer an Deiner konkreten Zielgruppe und dem Lernziel. Erzähle eine Geschichte mit Deinen Inhalten, gebe praxisbezogene Beispiele und schlage auch immer einen Bogen zum Alltag Deiner Teilnehmer*innen. Achte auf klare und verständliche, möglichst schriftliche oder visualisierte Handlungsanweisungen. Bereite bei Bedarf weiterführende Materialien vor, um interessierte Lernende zur Vertiefung zu motivieren.

Wir bei Pleinert & Partner sind überzeugt, dass Micro Learning eines der effizientesten und effektivsten Lerninstrumente ist. Lernen heute und in Zukunft ist nicht das auswendig lernen von Informationen, sondern das Verständnis von Konzepten und Zusammenhängen, und gerade diese werden typischerweise in kurzen ‚Aha-Momenten‘ aufgenommen.
Dr. Helena Pleinert, Online, 3.04..23
Besonders wichtig ist, dass Kurzform das fokussierte Herausarbeiten der Kernaussage unterstützt und erzwingt. Ausserdem ermöglicht das Kurzformat auch die flexible Integration des Lernens im schnellebigen Alltag und die Anpassung an persönliche Lernpräferenzen bezüglich der zeitlichen Einteilung des Lernens.
Zusätzlich ist Micro Learning gut geeignet als Performance Support wenn bei unmittelbarem Bedarf im operativen Alltag eine Information gebraucht wird.’
Microlearnings braucht Microcredentials
«Microcredentials» sind eine neue Form des Qualifikationsnachweises für kleine Lerneinheiten. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass Erwachsene zusätzlich zu konventioneller Aus- und Weiterbildung wie oben erwähnt kurze, praxisbezogene «just-in-time» Weiterbildungen benötigen.

Ein grosses Potenzial wird dabei in Micro-Learning-Angeboten gesehen, die mit Micro-Credentials zertifiziert werden. Die Lerneinheiten sind kürzer als bei konventionellen Weiterbildungsabschlüssen.
Durch ihre Kleingliedrigkeit bieten Microcredentials eine Chance, die Effizienz der allgemeinen und beruflichen Bildung zu steigern und Innovationen im Bereich des lebenslangen Lernens zu fördern. Durch die Niederschwelligkeit der Angebote gehen Fachleute davon aus, dass vor allem gering Qualifizierte, Personen ohne Berufsabschluss sowie benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie Migranten und Flüchtlinge potenzielle Zielgruppen für Microcredentials sein könnten.
Situation an den Hochschulen und im Weiterbildungsmarkt ruft nach Regelung
Aktuell werden Microcredentials von ganz unterschiedlichen Akteuren diskutiert, geprüft, entwickelt oder bereits angeboten. Damit das Potenzial von Microcredentials tatsächlich zur Mobilität von Personen über Branchen, Sprachregionen und Bildungsinstitutionen hinweg führt, braucht es ein gemeinsames Verständnis.. Erstrebenswert wäre daher, mit allen Beteiligten einen minimalen Konsens darüber zu erzielen, wie ein Microcredential definiert werden soll und welche Lernformen zu einem solchen Abschluss führen können.
Bereits heute können Lernende in der Schweiz aus einem vielfältigen nationalen wie internationalen Angebot auswählen. Allerdings sind sie dabei mit dem Problem konfrontiert, dass die jeweiligen Microcredentials völlig unabhängig voneinander existieren, oft nicht miteinander kompatibel sind und so auch kaum verglichen werden können.
Auch für Arbeitgebende ist dieser Umstand problematisch, da die Kompetenzen, die von den Arbeitnehmenden durch Micro-Credentials erworben wurden, für sie schwierig einzuschätzen sind. Damit Microcredentials, die in der Schweiz erworben werden, für die Lernenden einen Mehrwert im Bildungs- und Arbeitsmarktsystem generieren, bräuchte es auf nationaler Ebene gewisse einheitliche Regelungen und Vorgehensweisen in Bezug auf die Ausstellung von Microcredentials. Dies würde es Arbeitgebenden und Lernenden, aber auch Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen erleichtern, Informationen und Gewissheit über die Zuverlässigkeit und Qualität von Microcredentials, die von verschiedenen nationalen Anbietern stammen, zu erhalten.

Das ursprüngliche Format von Microlearning gibt es schon seit Jahrzehnten und ist den meisten noch aus der Schulzeit bekannt: die Lernkartei oder das sog. Lindner-Prinzip. Durch das Repetieren von kleinen Wissenshäppchen (die Lernkarten), wird der Lernstoff eingeprägt und verankert. Dieses einfache Prinzip wird u.a. bei Qfive in einem spielerischen Lernturnier erfolgreich umgesetzt.
Jürg Hofer, Qfive by Prime-Competence, Zürich, 3.04.23
Fazit und Ausblick in die Zukunft
Die Bedeutung von Microlearning wird in Zukunft noch weiter steigen. Insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung und die Veränderungen in der Arbeitswelt wird es immer wichtiger, dass Mitarbeitende schnell und flexibel neues Wissen erwerben können. Stundenlanger Input ohne Möglichkeiten zur Reflexion überfordern Menschen. Durch den Einsatz von Microlearning, kombiniert mit “Didaktischer Reduktion” können Unternehmen ihre Mitarbeitenden zielgerichtet weiterbilden und so für eine höhere Produktivität und Effizienz sorgen.
Ressourcen:
- Yvo Wüest, Mini-Handbuch Didaktische Reduktion, Beltz 2022
- Podcast-Folge Nr. 42 Jürg Hofer – Gamification in der Reihe “Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung”
- Podcast-Folge Nr. 22 Roger Hubmann – Mit Lernplattformen zu einem aktiven und erfolgreichen Lernprozess beitragen in der Reihe “Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung”.
- Blobeitrag Nr. 15: Didaktische Reduktion, Microlearning und Gamification: Gespräch mit Jürg Hofer von Qfive.
- Brown, Mark; Mhichil, Mairéad N. G.; Beirne, Elaine & Mac Lochlainn, Conchur (2021). The Global Micro-Credential Landscape: Charting a New Credential Ecology for Lifelong Learning. Journal of Learning for Development, 8 (2), 228-254
- EU (2022). Rat empfiehlt europäischen Ansatz für Microcredentials. Pressemitteilung Rat der EU vom 16. Juni 2022. Verfügbar unter: https://consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/06/16/council-recommends-european-approach-to-micro-credentials/ (aufgerufen am 4.04.23)
- OECD (2021a). Promoting social inclusion through micro-credentials. OECD Education and Skills Today. Verfügbar unter: https://oecdedutoday.com/promoting-social-inclusion-through-micro-credentials/ (aufgerufen am 4.04.23)
- Deutschlandfunk Beitrag zu Micro-Learning und Tik Tok (1.07.20): https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/micro-learning-tiktok-will-mehr-lern-inhalte